Hier wird Politik gemacht!


Der 13jährige Bürgermeister im kleinen Holzhüttendorf des Jugendzentrums hat ganz andere Probleme als Kölns Oberbürgermeister …


Wumm, wumm, wumm. Lautes Hämmern hallt von den Häuserdächern. Auf dem abgeschrägten, fast drei Meter hohen Dach ihres Holzhauses hockt die 11jährige Lisa und haut mit dicken Nägeln die Latten fest. Der Impuls, das Kind zur Gefahrenabwehr sofort von dem Dach holen zu müssen, überkommt einen nicht. Dafür bewegt sie sich zu routiniert. Neben ihr sitzt Alina und feilt an den Brettkanten. Die beiden haben zusammen das Haus gebaut, aber irgendwas ist immer noch zu tun, auf dem Abenteuerspielplatz des Jugendzentrums der Kölner Selbsthilfe in Longerich.


Das kann sich ändern, wenn der Vorschlag für den Kölner Haushalt 2010/2011 im Sommer angenommen wird. Der Entwurf des Kämmerers, Norbert Walter-Borjans, sieht massive Kürzungen im sozialen Bereich vor, davon sind viele offene Jugendeinrichtungen bedroht und eben auch das Longericher Jugendzentrum. "Wenn das durchkommt, dann können wir hier nicht mehr weitermachen, wir sind personell am Limit!", sagt Roland Kobs, Erzieher auf dem Bauspielplatz. Auch Anni Berens, eine der Leiterinnnen, bestätigt das: "Wir können weder an der Miete noch an Heizkosten sparen, wir können nur noch am Honorar sparen."


Benjamin im Baumhaus

Hinter dem Erzieher ragt in einer großen Eiche ein Baumhaus hervor. Benjamin klettert gerade über eine Strickleiter in den Baum. Ein gewisser Stolz ist ihm deutlich anzusehen. Mit großer Ausdauer hat er mit drei anderen Kindern eigenverantwortlich daran gearbeitet. "Ich glaube wir haben so zehn Monate gebaut - oder elf. Das hat Spaß gemacht." Und das ist für den 10jährigen der große Unterschied zur Schule. Mit seinem Baumhausprojekt hat er Selbstvertrauen in seine Fähigkeiten gewonnen und lernte, sich mit den Anderen über den "Bauplan" und die praktische Durchführung zu verständigen. Auf dem Abenteuerspielplatz des Jugendzentrums der Kölner Selbsthilfe bauen über 20 Kinder und Jugendliche an 12 Holzhäusern. Es ist ein kleines Dorf entstanden, in dem die "Bewohner" über gemeinnützige Sachen entscheiden müssen: Wo darf wer bauen, wer benutzt wann welche Werkzeuge und welche Baumaterialien? Wie in größeren Dörfern geht es auch hier um die von den Betreuern, also von der "Kommune" zur Verfügung gestellten Mittel.


Im Gegensatz zur Jugendzentrum-Kommune geht es im Kölner Haushalt jedoch nicht um die Verteilung von Baumaterialien, sondern ums Sparen. Gespart werden muss an vielen Stellen, um das Haushaltsloch, das die Eigenschaften eines alles verschlingenden Schwarzen Lochs annimmt, zu stopfen (mehr). Der soziale Bereich ist besonders betroffen. Zudem zieht sich das Haushaltsdefizit von den Stadtkassen bis zum Geldbeutel vieler Familien, die noch mehr leisten müssen, um sich zu finanzieren. Anni Berens, Leiterin des Jugendzentrums der Kölner Selbsthilfe sagt: "Die Zeiten sind härter geworden, in vielen Familien können sich die Eltern gar nicht mehr genug um ihre Kinder kümmern." Das Jugendzentrum bietet für seinen Stadtteil die einzige Alternative zur Freizeitgestaltung für die Teilnehmer. Das bewertet auch die Bezirksvertretung als wichtig, Bezirksbürgermeister Bernd Schössler hat einen Dringlichkeitsbeschluss gegen die Kürzungen eingereicht.


Der 13jährige Dorf-Bürgermeister Matthias hat zurzeit andere Probleme, er muss sich, wie auch seine Konkurrenten und Konkurrentinnen, auf den nächsten Wahlkampf vorbereiten. Zu Zeiten des Wahlkampfes wird besonders viel los sein: Die Kinder malen Aushänge, machen Fotos, stellen ihr Programm auf. Wahlplakate der vergangenen Wahl zeigen die Themenschwerpunkte: Streit schlichten, Müll beseitigen, für die Anderen da sein. Matthias hatte beim Wahlkampf jedoch auf dieses konventionelle Werbemittel verzichtet und das Rennen mit "wählt mich" Buttons gemacht.


Ausschnitt aus einem Wahlplakat

Am Ende wählen die Kinder, ganz wie die Großen, mit Stimmzetteln in geheimer Wahl. Da geht es nicht um Coolness. "Es sind nicht die Stars, die bei der Bürgermeisterwahl gewinnen", sagt Regine Abstins, Pädagogin am Zentrum, "die Kinder gucken sich die Kandidaten ganz genau an." Auch die hohe Beteiligung an der Wahl zeigt, dass die Kinder viel von ihr halten, alle regelmäßig kommenden "Dörfler" nehmen teil. Roland sagt: "Die Kinder können damit lernen, direkt die Demokratie zu verstehen."


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